Seit acht Tagen geht es mir hundsmalade. Ich bin einfach krank. Ich habe Gliederschmerzen, grünen Auswurf, Kopfschmerzen. Ich habe Schmerzen beim Atmen, es tut richtig rund um die Schleimhäute weh. Manchmal werde ich ohnmächtig. Immer wenn ich denke, es wird besser, merke ich, wie kaputt ich bin. Dann schleppe ich mich in irgendeine Unterkunft und schlafe. Keine Ahnung, welche asiatische Hühnergrippe ich mir hier eingefangen habe aber irgendwie ist mein provinzielles Immunsystem überfordert.

Ich habe noch nie eine so ruhige Überfahrt so furchtbar empfunden wie die auf der Fähre Eastern Dream von Wladiwostok nach Korea. Die restlichen Gäste waren eine schräge Mischung aus besoffenen Russen und unsichtbaren Koreanern. Nicht unerwähnt bleiben soll auch der schlechteste Karaoke-Saxophonist der Welt, der auf diesem Schiff sein trostloses Leben fristet.

Südkorea – modern aber schmucklos

Korea ist ein ausgesprochen bergiges, modernes aber, wie ich finde, schmuckloses Land. Die Architektur ist grauenhaft, viele Wohnsilos, viel Werbung, viele Straßen. Alles wohlorganisiert. Leider auch relativ teuer – für meine Verhältnisse jedenfalls.

Aber es ist ein Serviceparadies. So verfügt so ein Hotelzimmer eben über alles, was man sich so träumen lassen kann. Fußbodenheizung, beheiztes Bett, Computer, eigenen W-LAN Access Point, Zahnpasta, Kamm, Haarspray, … bis hin zum Seil, um sich im Ernstfall aus dem 6 Stock zu seilen. Ein paar Handschuhe, dass die Hände nicht so heiß werden gibt́s natürlich auch dazu.

Wenn es gebrannt hätte, hätte ich mich hiermit wie Spiderman abseilen können. Mit den Handschuhen hätte ich mir nicht mal die Hände verbrannt.
Wenn es gebrannt hätte, hätte ich mich hiermit wie Spiderman abseilen können. Mit den Handschuhen hätte ich mir nicht mal die Hände verbrannt.

Kein Englisch in Südkorea

Nach einer Nacht in Donghae, einer trostlosen Hafenstadt habe ich mich zur Reise nach Seoul entschieden, habe mich an die Straße geschleppt und ein Auto angehalten. Das ging sehr schnell. Der Fahrer hat überhaupt nicht verstanden, was mein Problem ist. Schnell hat sich herausgestellt, was die Koreaner von den Russen unterscheidet. Sie sprechen Koreanisch. Aber es wurde mir auch schnell klar, was sie eint: sie sprechen kein Englisch.
Das macht aber nichts, denn sie haben ja ein nigelnagelneues Samsung S212 XCD Sonderedition mit Glitzerhülle. Das wird herausgezaubert, der Googletranslator aktiviert und dann drauf losgesprochen. Leider versteht das Gerät vielleicht Koreanisch. Deutsch kann es jedenfalls nicht daraus machen. Englisch auch nur sehr, sehr unverständlich.

Mein Fahrer versuchte einfach mit dem Google-Translator. Das funktionierte allerdings nicht so richtig. Stattdessen riefen wir seine Tochter an.
Mein Fahrer versuchte einfach mit dem Google-Translator. Das funktionierte allerdings nicht so richtig. Stattdessen riefen wir seine Tochter an.

Das 2. Handy im Auto diente dazu, die Tochter anzurufen, die mit ordentlichem Englisch Übersetzungsdienstleistungen liefern musste. Immer wieder in 6 Stunden Autofahrt. Es war eine kommunikative Tortur und nicht möglich, an einer Raststätte auszusteigen. Niemand würde mich je wieder mitnehmen, so die Meinung der Koreaner.

Seoul – organisiertes Chaos

In Seoul angekommen, war ich erstmal erschlagen von der Stadt. Es ist nach Tokio die größte Metropolregion der Welt mit 23 Millionen Menschen. Da wundert es nicht, dass wir stundenlang im Stau standen und dass es nur schwerlich eine billige Unterkunft gibt. Es sind nämlich Feiertage, irgendeines Mondfestes.

Seoul ist so wie Eisleber Wiese nur mit mehr Menschen und teurer. Nur ohne Karusells aber dafür mit doppelt soviel Fressbuden. Warum hab ich nur mein Crepeseisen nicht mitgebracht?!

Aber alles ist wohlorganisiert, wenn man erst einmal das System der U-Bahn verstanden hat.
Ein Trost, dass wir nicht die Einzigen sind, denen Windows Probleme bereitet. Das Problem kennt man auch in der U-Bahn von Seoul.

Überhaupt ist das Essen hier ein wenig ungewohnt. Es gibt viel Fleisch und Fisch zu essen. Leider esse ich dies nun beides nicht. An Straßenständen wird alles mögliche fritiert und zubereitet. Die Palette reicht von Seidenraupen über Seegurken bis zu Algen. Algen sind bestimmt die Ernährungsgrundlage des 22. Jahrhunderts. Leider schmecken sie so, wie Fisch riecht. Kulinarisch liegt mir daher dieses Land überhaupt nicht. Und ich lebe ja auch erst im 21. Jahrhundert.

Stacheldraht an der Grenze von Nord- und Südkorea. das Bild kennt man auch aus anderen Gegenden der Welt.
Stacheldraht an der Grenze von Nord- und Südkorea. das Bild kennt man auch aus anderen Gegenden der Welt.

Die koreanische Mauer

Inzwischen habe ich eine Tour zur innerkoreanischen Grenze unternommen.  Gerade für diejenigen die, wie ich, aus der DDR kommen, ist ja eine Auseinandersetzung mit Grenze, Spaltung und Diktatur unausweichlich biographisch. Und, genau wie im letzten Jahr, als ich vor der himmelhohen Mauer stand, von der die Palästinenser umgeben, hinter der sie eingesperrt sind, stand ich jetzt vor unüberwindlichen Zäunen und Minenfeldern zu Nordkorea.

Es ist immer wieder unbegreiflich, was Menschen bewegt, sich so einzusperren oder die anderen auszusperren. Wie verbittert man sein muss, um so ein System aufzubauen. Wie viel Angst und Verzweiflung dazu gehört. Und wie viel Machthunger und natürlich die grenzenlose Angst vor Machtverlust.

Vorsicht Minen!
Vorsicht Minen!

Touristenfalle DMZ

Leider ist die Tour zur Demilitarisierten Zone (DMZ) an der Grenze eine Touristenfalle. Bustransfer, schlecht englisch sprechende Guides, nichts zu sehen, immer wieder die Informationen darüber, wie viele Spione Nordkoreas heldenhaft getötet wurden, unnötige Ausstellungsstücke in Museen. Aber die Thematik bleibt unausweichlich und so bietet die Tour authentische Orte und die Möglichkeit, sich solch eine Grenze vor Augen zu führen.

In solchen Momenten wird mir immer wieder bewusst, dass unsere Dankbarkeit über die erlangte Freiheit nicht aufhören darf. Wir sollten es immer wieder neu erleben, dass die Geschichte und die Welt ganz andere Optionen für ein Leben bereit hält als die unsrige. Deshalb halte ich auf Reisen immer wieder inne und werde still. In Kirchen oder an der Straße, an Grenzen oder beim stundenlangen Dahinfahren genieße ich meine Freiheit und erinnere ich mich an meine Kindheit, in der ich genau davon geträumt habe – zu reisen, mich frei zu bewegen, die Welt mit anderen Augen, aus anderen Richtungen zu sehen. Nun tue ich es, immer wieder.

Ticket in die neue Welt

Vor ein paar Tagen habe ich mir nun das Ticket in die neue Welt gekauft. Leider ist meine Anreise nun ausgesprochen unspektakulär. Ich fliege nach China und steige dort um, um nach Los Angeles zu fliegen. So lange habe ich mich geweigert, einfach so nach Amerika zu fliegen, um es jetzt doch zu tun. Leider gab es keine andere vernünftige Lösung.

Nun verlasse ich Korea, an dem ich nicht besonders gehangen habe, reise in die Sonne, ins Ungewisse. Wieder ohne Plan. Nicht einmal eine Himmelsrichtung habe ich mir so richtig vorgenommen. Ich vertraue auf die Menschen, die mir begegnen. Sie werden meiner Reise schon die Richtung und den Sinn geben.

Posted by Gregor Majewski

Hi, ich bin Gregor und schreibe hier auf Rooksack über meine Abenteuer per Anhalter in der Welt. Ich mache jedes Jahr einen längeren Trip und schreibe hier für euch. Wenn ihr mehr davon lesen wollt, dann folgt uns doch auf Facebook, Twitter oder abonniert uns per E-Mail!

6 Comments

  1. Hi Gregor,
    sehr amüsanter Artikel, den du da geschrieben hast und noch dazu mit jeder Menge Details zu deinem aktuellen Gesundheitsstatus. Das nenne ich mal authentisch. Wünsche dir auf alle Fälle gute Besserung und schon mal viel Spaß in LA.
    Gruß, Daniel.

    Antworten

  2. Samuel von UNDERWAYGS Februar 27, 2015 at 15:53

    Hi Gregor,
    da hast du echt was erlebt, wahnsinn 🙂
    Vor Korea habe ich immer noch Respekt. Die fehlende Sprache hält mich momentan auch eher auf Distanz wenngleich mich das Land wirklich mal interessieren würde.
    Vie Spaß weiter auf deiner Reise!

    Antworten

  3. Mathias von UNDERWAYGS Februar 27, 2015 at 16:26

    Hi Gregor,

    toller Artikel, den Du über Korea geschrieben hast. Letztes Wochenede habe ich mich erst mit einem Freund unterhalten, der vor kurzem da war und er hat ähnliches berichtet.

    Viele Grüße
    Mathias

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  4. Colette Stettler Februar 27, 2015 at 19:22

    Hallo Gregor,
    meine Mam, Stefan und ich verfolgen Deine Reise gebannt. Viel Glück auf Deinem weiteren Weg und vor allen Dingen erstmal Gute Besserung.

    Liebe Grüße
    Colette

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  5. Hallo Gregor,
    wir verfolgen wir Deine Reiseberichte mit Spannung. Mit der Polarforschung wird dann jetzt wohl nichts, aber trotzdem noch großes Abenteuer.
    Wir hoffen, es geht Dir wieder besser. Viel Spaß auf der weiteren Reise und auf Wiedersehen in der Heimat.
    Bis dahin viele Grüße
    Sebastian und Birgit

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  6. Hallo Gregor,

    ein sehr amüsanter Bericht. Nächstes Jahr fliege ich auch noch Südkorea. Nach deinem Bericht bin ich sehr gespannt, wie es mir gefällt. Mal sehen, ob es in unserem Hotel dann auch so ein Seil gibt wie auf deinem Foto. 🙂

    Viele Grüße
    Peggy

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